beteiligte Künstler:

Holger Bunk (DE), Thomas Roppelt (DE), Carlo Aloe (CH), Ben Vautier (IT), François Morellet (FR), Alfonso Hüppi (DE), Corsin Fontana (CH), Renate Buser (CH), Peti Brunner (CH), Dominique Jehle (CH), Johannes Hüppi (DE), Peter Knapp (CH), Guillaume Bijl (BE), Christian Vogt (CH), Littmann Klaus (GE)

Das Projekt

«Strassenbilder» ist das vierte Projekt der Reihe Interventionen im öffentlichen Raum der Stadt Basel. Und erneut geht es bei Strassenbilder um das Schaffen neuer Identitäten des Altgewohnten. Aber anders als bei «Skultur», «Engel» oder «Frontside» findet nicht nur eine Transformation des Stadtbildes im weiteren Sinne statt, sondern darüber hinaus eine bewusste Symbiose zwischen dem Vergangenen und Gegenwärtigen. Die daraus entstandenen «Reizoberflächen», wie ich sie gerne nenne, nähren sich aus historischen Begebenheiten, formalen städtebaulichen Wirklichkeiten, oder sie arbeiten mit den vielfältigen Ausdrucksformen klassischer und moderner Bild-Sprachen.

Die von den 15 Künstlerinnen und Künstlern gewählten Motive wurden ortsbezogen unter Einbezug von Themenkreisen wie Urbanität und Anonymität gestaltet. Für mich ist «Strassenbilder» der Akupunktur nicht unähnlich. Wenn man einen urbanen Raum als Körper begreift, so sind die 15 Motive wie Nadelstiche, die ein entsprechendes Nervenzentrum, in diesem Fall den Betrachter, stimulieren sollen. Er, der Betrachter, wird zwangsläufig mit der Veränderung des gewohnten Bildes und der gewohnten (Nicht-)Aussage des öffentlichen Raumes konfrontiert. Er muss im Neuen des Gewohnten einen Bezugspunkt zu sich selbst definieren, einen Punkt, in dem das Transformierte eine neue, veränderte Wahrnehmung schafft. In diesem Prozess der Wandlung liegt, so glaube ich, ein grosses Potenzial. «Strassenbilder» ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Aktion mit Bodenhaftung im öffentlichen Raum, und öffentliche Räume sind jeder für sich genommen individuell, in ihrer Summe aber weisen sie Wesenszüge einer urbanen Anonymität auf, die das Individuum vor den Problemkreis der Entfremdung stellt. Obwohl öffentliche Räume auch das Gesicht der Tradition, der kulturellen Eigenschaften und des Reichtums einer Stadt tragen, verwischen die zeitgenössischen Formen der Urbanität durch Mittel wie etwa Digitalisierung und Plakatwände diese konventionellen Bezugspunkte und schaffen ein Gleichmass an Erscheinung und eine Verwahrlosung der Vielfalt.
Ich und mit mir die Künstler hoffen, dass es uns gelungen ist, Farbtupfer wie wohl platzierte Nadelstiche in das Gleichmass der Erscheinung und die Verwahrlosung der Vielfalt zu setzen. Klaus Littmann


Reinhardt Stumm
Kulturjournalist, Theaterkritiker und langjähriger Feuilletonredakteur der Basler Zeitung

«Un Autre Monde» ist eine skurrile Persiflage auf Land und Leute, die 1844, von Grandville (1803–1847) gezeichnet, in Paris erschien. 1847 kam das Buch in Leipzig heraus. Plinius der Jüngste (der 1826 von Goethe nach Weimar geholte Hamburger Professor Wolff) bereicherte sie um eine boshaft-heitere Spottgeschichte auf den deutschen Kunstbetrieb: «O! diese Welt, diese Welt!, rief der brotlose Maler erbittert, als er plötzlich eine fremde Stimme vernahm: Thor! Wenn Dir diese Welt nicht behagt, warum machst Du Dir nicht eine andere? Du hast ja die Mittel dazu von der Natur empfangen! Erstaunt er- blickte unser Maler eine sehr hübsche, reizvolle Dame. Wer sind Sie, so in Samt und Seide? Ich bin die Phantasie, sagte sie, wirf Dich mir in die Arme, ich werde Dir den abscheulichen prosaischen Hunger stillen! Der Maler warf sich mit dem grössten Vergnügen und lernte: Passt dir die Welt nicht? Mach dir eine andere!»

150 Jahre später haben wir immer noch unser Vergnügen mit derselben Phantasie. Mit «Strassenbilder», nach «Skultur», «Frontside» und «Engel» die vierte Kunstaktion aus Littmanns Kulturwerkstatt. Und alle warben für einen Kunstbegriff, der die Gleisanlagen des Betriebs verlässt. Stattdessen jedes Mal eine neue kleine Welt ohne Regeln, ohne Gebote, ohne Verbote. Fast ohne, denn ohne den Segen von fünfzehn Ämtern – Stadtreinigung, BVB, Allmendverwaltung – ging es nicht. Aber «die Polizei musste nicht spionieren, das Militair nicht füsiliren, der Gerichtshof nicht inquiriren, die Ärzte nicht trepaniren, die Censur nicht damniren, nur die Zeitungen konnten referiren» (um noch einmal Grandville zu zitieren). Und wieder nahm die Phantasie die Künstlerinnen und Künstler in die Arme – fünfzehn waren es – und schweifte mit ihnen durch Basel. Häuser, Gassen, Treppen, Wege, Strassen, Plätze, Brücken boten sich an. Einmal auf der Fährte, fanden die Aufgebotenen im Weiten und im Engen, was lustvoll und vergnügt ihr kreatives Potenzial zu reizen vermochte. Und abermals führte die angestrebte Entgrenzung dazu, neues Terrain zu erobern. Strassenmalerei konnte das nicht sein.Was an jedem schönen Sommertag vor den Kirchentüren auf der Kölner Domplatte für Gotteslohn und aufgestellten Sammelhut mit Farbkreide von Postkarten abgekupfert wird, die klassische Asphaltmalerei, war kein Thema. Was unsern Strassenbildkünstlern einfiel, war reicher Lohn für schöpferische Mühe. Zu lösen waren zuvor ein paar technische Probleme. So gibt es offenbar keine Farbe, die sich nach einiger Zeit von selbst auflöst. Am Ende der Aktion musste aber alles spurlos verschwinden. Wie macht man das? Man macht das mit PVC-Folie. Sie musste nur rutschfest und abriebfest sein, durfte keine ökologische Belastung verursachen und am Ende keine Spuren hinterlassen. Die geladenen Künstlerinnen und Künstler lieferten also ihre Entwürfe, Aquarelle, Zeichnungen, digitalen Grafiken, Fotografien oder Schriftvorlagen. In den Druckmaschinen wurden die Vorlagen automatisch auf das gewünschte Mass vergrössert. Anschliessend musste die bedruckte Folie noch mit Schutzlaminat überzogen werden. Schwierig war eigentlich nur die Montage, weil die Bahnen natürlich nahtlos aneinander gefügt sein sollten. Das war die Arbeit. Die bedeckte Gesamtfläche betrug immerhin mehr als 3000 m2.

Historie:

Publikationen

Strassenbilder

Strassenbilder

Reinhardt Stumm

DE, EN
Publikationsdatum: 2003
104 Seiten, Hardcover
CHF 35.00, € 23.00
ISBN: 978-3-7245-1413-1

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