«Es ist etwas Geheimes, was hinter den Menschen und Dingen liegt.» (Ernst Ludwig Kirchner)
Ganz zentriert steht die Schwangere da, in Anlehnung, lächelnd. Eine andere sehen wir im Ausfallschritt wie ein Kind, das noch seine Balance sucht. Eine dritte den Blick erwidernd, in praller Grösse. Kein Hauch von Sexyness geht verloren an den runden Bauch. Die Modelle übernehmen selbstbewusst ihren Part und bannen so jede Scheu vor ihrer Blösse. Unverschämt teilt das fotografische Bild Staunen und Bewunderung: So sieht sie aus im achten Monat, sagt uns sachlich und lebensgross ihr Bild. Wenn sich ein Kind ankündigt, wird Zukunft plastisch.
Ganz profan ist der Akt einer Mutter nicht. Trägt sie doch nicht nur ihr Kind, sondern ein ganzes Bündel an kulturgeschichtlicher Überlieferung und sozial sensiblen Themen mit. Wie darauf reagieren, dass Frauen, wenn sie Mütter werden, auch für (ihre) Männer nicht mehr ganz dieselben sind? Wie ihre Körper schildern ohne wertende Distanznahme, ohne Spekulationen über Herkunft, Vaterschaft, Lebensumstände? Auch, wenn er Frauen zur Nacktaufnahme in sein Pariser Studio bittet: Der Schweizer Künstler und Fotograf Peter Knapp (*1931) geht auf sein Sujet zu, als hätte er keine Bedenken. Natürlich gibt es die Tradition, welche Frauen im männlichen Auge nur als Modelle gelten liess. Doch kontert die Gegenwart der heiteren Grazien jeden Verdacht auf ein patriarchales Gefälle. Als Art Director und Fotograf für zahlreiche Magazine und Modeschöpfer hat Knapp über Jahrzehnte die Demokratisierung von Mode in Szene gesetzt. Häufig lud er den Zufall ein, liess Bewegung spielen. Mehr als am Mini, am Nylonstrumpf oder Hosenanzug lag ihm dabei am Porträt des Freiheits- und Bewegungsdrangs, den die Frau ab den 1960er-Jahren für sich in Anspruch nahm: Selbstbestimmt steht das Modell für sich selber ein, wird dem Fotografen zum attraktiven Gegenüber.
Die Schrift am unteren Bildrand legt mit Name, Gewicht und Grösse eine Spur zum Kind, das das Licht der Welt erst Wochen nach dem Shooting erblicken wird. Das arabische «Jelua» steht für schön, «Arthur» weckt Erinnerungen an nordische Sagen, an einen Autor oder Filmemacher, «Clélia» liest sich wie ein helles Echo auf das lichte Strahlen ihrer Mutter. Jeder Rufname umspielt vergangene Lebensläufe und eilt zugleich dem werdenden Leben voraus – als Klang, Wunsch und Verheissung. Zukunft fängt beim Denken an. Sie hat ihr Gewicht und eine anfängliche Länge. Ihre Dauer dann liegt auch an uns: Zukunft hält an, solange wir den Blick nicht lassen vom Leben, das Geheimnis heisst und Zuversicht.
Text: Isabel Zürcher, März 2024
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