ART BASEL 1998, Halle/Stand 214.C2/D1

ERSTER UND EINMALIGER AUSSTELLUNGSSTAND FÜR KULTURPROJEKTE IN DER GESCHICHTE der ART BASEL von Klaus Littmann

- Nichtkommerzielle Kunst & Ausstellungsprojekte (realisierte und geplante)
- Projekte für Installationen (realisierte und geplante)
- temporäre Kunstinterventionen im öffentlichen Raum
- Projekte für Aktionen, Happenings, Performance
- Film & Buchprojekte

Nach 1989 veränderte sich die globale politische Situation entscheidend. Die Stichworte dazu lauteten: Globalisierung, (neo-liberale) Ökonomisierung und Digitalisierung. Wir [redaktionelle Anmerkung: die Art Basel] hatten relativ schnell erkannt, dass sich, als logisch Konsequenz davon, Kunstmesse und Kunstausstellung immer mehr wechselseitig bedingen würden. In der Tradition einen klaren Unterschied markierend – eine Kunstausstellung verfolgte eine andere Strategie als die Verkaufs-Kojen auf Kunstmessen – begann sich diese ästhetische “Arbeitsteilung” zunehmend aufzulösen; und auch vom bislang ungeschriebenen Gesetz der ästhetischen Gewaltenteilung zwischen Künstler, Sammler, Galerist, Kurator, Kritiker oder Besucher mussten wir uns zunehmend lösen. Zweckfreie und zweckgebundene ästhetische Objekte wurden ununterscheidbar, der ästhetische Wert wurde zum Kaufwert (wie bei Aktienkursen, die den Marktwert bestimmter Segmente anzeigen).

Der erste, der den Systemwandel der Kunst und der Kunstwelt nach 1989 klar erkannte, war Harald Szeemann. Sein Erbe ist ungebrochen bedeutend und an ihm misst sich bis heute die Integrationskraft des Kurators. Spätestens seit „Tableau der Menschheit“, seiner globalen Kunstschau in Venedig 1999, war der Systemwechsel von der internationalen zur globalen Kunst vollzogen; aus dem westlichen wurde ein globales Kunstsystem. Aber Szeemann entwickelte bei der Inszenierung seiner Ausstellungen auch den Ansatz von Marcel Duchamp konsequent weiter, den Rollenaustausch zwischen Künstler, Ausstellungsmacher, Theoretiker und Kritiker, und überwand damit auch das monotheistische Erbe der westlichen Kunst; nicht zuletzt dank ihm differiert Kunst heute in Bestimmungen, die ihr hinzugefügt werden, wodurch die Einheit des Kunstbegriffs aufgelöst und in ein Spektrum anteiliger Werte zerlegt wird: Informationswert, Marktwert, Kulturwert bzw. transkultureller Wert, Aktualitätswert, Kunstwert und Ausstellungswert.

Einer der ersten, der diesen Systemwandel auch im Kunstmarkt begriffen, gelebt und vollzogen hat, war der Basler Galerist Klaus Littmann. Schon mit seinem Kunstzug-Projekt (1991) stellte er seinen umfassenden, aber differenzierten Kunstansatz erstmals eindrücklich unter Beweis. Er war auch der erste, der 1996 an der Art Basel der etablierten und unseren Kunstbegriff prägenden Westkunst provokativ einen ganzen Stand mit unbekannter (und unverstandener) zeitgenössischer chinesischer Kunst entgegensetzte; drei Jahre später war “Chinese Contemporary art” die Attraktion an der Messe. Und als Littmann 1998 an der Art Basel lediglich Visionen und Ideen von Kunstprojekten zur Realisierung bzw. zum Verkauf anbieten wollte, löste dies im Zulassungsgremium der Messe vollends Kopfschütteln aus. Letztendlich durfte er, nicht zuletzt dank dem Innovationswillen der Messeleitung, als erster eine (kommerzielle) Ausstellungsmacher-Koje realisieren; der traditionelle – besser: traditionalistische – Grenzen sprengende Auftritt sorgte für Aufsehen und Gespräch … und blieb bis dato der letzte dieser Art auf einer Kunstmesse. Visionäre sind ihrer Zeit halt oftmals voraus…

Lorenzo Rudolf, September 2020
Direktor Art Basel 1991-2000

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