Jetzt erobert Klaus Littmann mit seinen Bäumen Venedig

Basler Kunst in Italien Nach Basel und Zürich steigt ab heute der dritte Teil der Kulturintervention «Arena für einen Baum». Das Interesse während der Kunstbiennale dürfte riesig werden.

Von: Marcel Rohr, Basler Zeitung

Wie eine kleine Arche Noah schaukelt die «Arena für einen Baum» sanft im Hafen von Venedig. 21 mal 21 Meter misst der quadratische Ponton, stattliche 50 Tonnen schwer ist die schwimmende Unterlage. Darauf erhebt sich der Star der nächsten dreieinhalb Monate: die Taxodium distichum, zu Deutsch die Sumpfzypresse.

Drei dieser Nadelbäume werden nun bis Ende Juli in der Arena Wurzeln schlagen. Sie passen zu einer Lagunenstadt wie Venedig, da sie sowohl im Süssals auch im Salzwasser gedeihen und das mediterrane Klima bestens vertragen.

Grenzen gesprengt
Dass es Klaus Littmann geschafft hat, diese Holzarena in der italienischen Lagunenstadt aufzubauen, kommt einer logistischen Meisterleistung gleich. «Wir wollten zuerst auf einen Platz oder vor eine Kirche, aber das war in Venedig mit seinen vielen Brücken nicht machbar», sagt Littmann. Dann hatte der 72-Jährige wieder eine seiner vielen Ideen: «Wir gehen aufs Wasser.» Mamma mia!

«Arena for a Tree» in Venedig: Hier spielt der dritte und vorerst letzte Teil einer «verrückten Geschichte» (Littmann), die im September 2019 in Klagenfurt begonnen hat. Nicht nur Naturliebhaberinnen erinnern sich: Im Süden Österreichs liess der Basler 299 Bäume in das Wörthersee-Stadion pflanzen.

Mit seinem 7200 Quadratmeter grossen Stadionwald «For Forest: The Unending Attraction of Nature» sprengte Littmann alle Grenzen. Über 200’000 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt pilgerten nach Österreich, die britische «Times» und der «Guardian» schaufelten Platz auf ihren Kulturseiten frei, Magazine aus China, den USA und Neuseeland berichteten mit Reportern vor Ort. Hollywoodstar Leonardo DiCaprio teilte auf Instagram mehrere Bilder – sie generierten 724’310 Likes und 4816 Kommentare.

Der Stadionwald in Klagenfurt entpuppte sich als Samenkorn für Basel. Die Künstlerin und Philanthropin Sibylle Piermattei-Geiger wollte mit Klaus Littmann eine Ausstellung machen. Daraus entstand das zweiteilige Projekt «Arena für einen Baum» auf dem Basler Münsterplatz sowie «Tree Connections» in den Räumlichkeiten der Kulturstiftung Basel H. Geiger.

«Der eine Baum in Basel hatte den gleichen Effekt wie die 299 Bäume in Klagenfurt», erinnert sich Littmann. Was er damit meint: Es passiert etwas mit den Menschen, wenn sie sich Zeit nehmen und einen Baum auf sich wirken lassen. Er löst Emotionen aus; da und dort fliessen sogar mal Tränen.

In Zeiten von Erderwärmung und Klimawandel ist der Baum zu einem Hoffnungsträger avanciert. Bei vielen hat er mittlerweile sogar eine philosophische Bedeutung. Littmann sagt: «Alle Menschen lieben Bäume. Sie haben keine Angst vor ihnen, im Gegensatz zu Wasser, das schnell bedrohlich wirken kann.» Der Baum ist ein guter Freund geworden. Wer erinnert sich nicht an die Proteste in Basel, als im August 2021 an der Margarethenstrasse 17 Kugelahornbäume gefällt werden mussten.

Publikum aus aller Welt
Wie ein Samenkorn zieht dieses Projekt Littmanns von einem Ort zum anderen. Im April 2021 gab es die «Arena für einen Baum» in Basel zu sehen, kurze Zeit später meldete sich das Schweizerische Landesmuseum in Zürich, Littmann verpflanzte seine Holzkonstruktion in die Zwinglistadt. Stets an seiner Seite ist Landschaftsarchitekt Enzo Enea, ein Experte in Sachen Holzgewächse. In Basel stand ein Eisenholzbaum in der Arena, in Zürich ein toter Obstbaum, der während der Ausstellung plötzlich zu blühen anfing. Und nun in Italien fiel die Wahl subito auf die Sumpfzypresse.

Mit Venedig hat Klaus Littmann die grosse Bühne gewählt. Denn am 20. April beginnt nur wenige Meter weiter die weltbekannte Kunstbiennale, die jedes Jahr viel Publikum aus der ganzen Welt anzieht.

Ob wieder so viele Besucherinnen und Besucher kommen wie in Klagenfurt, Basel oder Zürich? Klaus Littmann verspricht keine Zahlen, er freut sich einfach auf die Menschen. Er will sie beobachten, spüren, wenn sie sich in die Holzarche setzen, deren drei Tribünenreihen Platz für 50 Personen bietet, und sich auf die drei Zypressengewächse einlassen.

Deshalb hat er sich entschieden, bis Ende Juli vor Ort zu sein. Zumal er zusätzlich kleine Veranstaltungen rund um die Arena plant, beispielsweise in musikalischer Form.

Littmanns Kunst im öffentlichen Raum ist immer allen gratis zugänglich. Ermöglicht wird die temporäre Kunstintervention durch die Kulturstiftung Basel H. Geiger (KBH.G). «Die Besucher sollen die Natur spüren, sie sollen die Bäume spüren», meint der Basler Künstler und Kurator voller Vorfreude auf einen heissen, ereignisreichen Sommer.

«Arena for a Tree». Arsenale Nord, Venedig. 17. April bis 31. Juli 2024, jeweils Dienstag bis Sonntag, 11 bis 19 Uhr. Eintritt frei.

In Basel gibt es 27’347 – in Mexiko kann man sie heiraten

Der Baum als Kunstwerk ist nichts Neues. Aber als Sauerstoffspender und CO2-Binder spielt er beim Klimawandel eine zunehmend wichtige Rolle. Ein paar Zahlen und Wissenswertes zu den beliebten grünen Hoffnungsträgern.

— Wie viele Bäume gibt es in Basel-Stadt?

Im Jahr 2023 waren es exakt 27’347 Bäume. Davon wurden letztes Jahr 527 neu gepflanzt und 488 gefällt. Die Begrünung nimmt also zu, so wie das die Basler Baudirektorin Esther Keller immer wieder betont. In den diversen Baumalleen und Grünanlagen gibt es rund 500 verschiedene Arten.

— Wie viele Bäume gibt es auf der Welt?

Genaue Zahlen existieren nicht, nur Schätzungen. Die neuesten gehen von rund drei Billionen Bäumen aus. Seit Beginn der Zivilisation ist ungefähr die Hälfte des weltweiten Baumbestandes abgeholzt worden.

— Wie alt werden Bäume?

Die meisten können im Normalfall mehrere Hundert Jahre alt werden. Dabei leben Fichten im Durchschnitt bis zu 300 Jahre und Tannen bis zu 600 Jahre. Der mutmasslich älteste Baum ist eine 9550 Jahre alte Fichte in Mittelschweden. In Amerika soll es Holzgewächse geben, die noch viel älter sind, allerdings streiten sich Experten um die Deutungshoheit.

— Wo steht der älteste Baum der Region Basel?

Es ist eine Eiche, die in einem Hain in der Nähe von Schloss Wildenstein oberhalb von Bubendorf zu finden ist. Dieser Eichenhain gilt als kulturhistorisches Relikt von nationaler Bedeutung. Die Eichen im Baselbiet können bis zu 1000 Jahre alt werden.

— Warum sind Bäume beim Klimawandel so wichtig?

In der Fotosynthese entziehen Bäume der Luft CO2, speichern den Kohlenstoff (das C) und geben Sauerstoff (das O2) wieder in die Luft ab. Wie viel Kohlenstoff ein Baum speichern kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab; von der Baumart, vom Alter der Pflanze, vom Standort, Klima und von der Jahreszeit. Grundsätzlich kann man sagen, dass in alten Wäldern pro Quadratmeter deutlich mehr Kohlenstoff gespeichert ist als in jungen, neu aufgeforsteten Wäldern.

— Wo steht der Eisenholzbaum von Klaus Littmann in Basel?

Er war der Star bei der «Arena for a Tree»-Ausstellung auf dem Basler Münsterplatz im April 2021: Der «Parrotia persica», zu Deutsch Eisenholzbaum. Dieses 60-jährige Holzgewächs steht seit rund eineinhalb Jahren in der St.-Alban-Tor-Anlage; dorthin wurde der Baum verpflanzt.

Die Basler Stadtgärtnerei um Chef Emanuel Trueb hat nun den Eisenholzbaum für sich entdeckt und bepflanzt damit die neuen Kübel in der Freien Strasse. Die Bäumchen in den Töpfen sind stressresistent, brauchen wenig Wasser und eignen sich gut, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.

— Kann man Bäume heiraten?

Ja, das geht, zumindest in gewissen Teilen der Welt. In Florida gab Karen Cooper 2018 einem Ficus retusa das Jawort. Allerdings war es keine Liebe, sondern eher der Naturschutz, der sie ermunterte. Denn der hölzerne Bräutigam sollte gefällt werden. Die Aktion ging um die Welt. Die damals 60-Jährige orientierte sich an ähnlichen Kampagnen aus Mexiko – dort machten diverse Frauen mit der Vermählung von Bäumen auf die Abholzung der Wälder in Südamerika aufmerksam. «Normale» Ehepaare zersägen oft nach der Trauung einen Baum – es soll Glück bringen.

Von: Marcel Rohr, Basler Zeitung

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