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Heute erhalten Sie, Herr Littmann, den Basler Kulturpreis? Haben Sie ihn sich eigentlich verdient?
Klaus Littmann: Das müssen Sie andere fragen. Offenkundig gibt es Leute, die meinen, dass ich ihn verdient habe.
Sie sind Kunstvermittler. Verstehen Sie sich auch als Künstler?
Littmann: Nein. Meine Tätigkeit ist vielschichtiger. Ich werde oft nach einer Berufsbezeichnung gefragt. Eine solche habe ich im Grunde nicht. Es gibt Menschen, die sprechen von einem Kulturmanager oder einem Kulturschaffenden. Ich selber bringe gerne den Begriff des Produzenten ins Spiel. Als Künstler würde ich mich aber nicht bezeichnen, obwohl ich ohne eine gewisse Kreativität und Fantasie das nicht machen könnte, was ich mache.
Sie hatten in den Achtzigern die Räumlichkeiten der Galerie von Felix Handschin an der Bäumleingasse übernommen, der in Basel selbst grosse Kunst-Events veranstaltet hatte. Sind Sie beeinflusst von seiner Art, Kunst zu vermitteln? War er eine Art Lehrer für Sie?
Littmann: Das ist übertrieben. Ich bin von verschiedenen Leuten beeinflusst worden, beispielsweise von Joos Hutter, den ich in der Kunstgewerbeschule kennen gelernt hatte. Er hatte mich in meiner Art, zu schauen, sehr stark beeinflusst. Felix Handschin hatte sicherlich einen grossen Einfluss auf mich. Dort habe ich gesehen, was man darf und was man nicht darf. Einen ganz grossen Einfluss übte Werner Jehle auf mich aus. Durch ihn wurde mein Weg stark geprägt. Und wer mich bestimmt auch sehr stark geprägt hat, dies in Form einer gewissen Haltung, war Tinguely. Am meisten bin jedoch durch meine Mutter beeinflusst worden: Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich mich nicht in diese Richtung entwickelt.
Welche Bedeutung hatte Ihre Mutter denn für Sie?
Littmann: Meine Mutter war Schauspielerin. Sie war die Einzige in der Familie, die mich darin unterstützt hatte, in eine Richtung zu gehen, in der sicherlich nicht der Beruf des Juristen oder Steuerberaters angesagt war.
Also keine bürgerliche Karriere . . .
Littmann: Genau. Darauf hatte sie geschaut. Ich war ein miserabler Schüler. Und sie schiffte mich da irgendwie durch. Ganz fantastisch.
. . . und hat offensichtlich an Sie geglaubt.
Littmann: Ganz sicher.
Verstehen Sie sich als jemanden, der die Wahrnehmung der Leute schult?
Littmann: Ich weiss nicht, ob der Begriff «schulen» richtig ist. Ich leiste aber sicher einen Beitrag dazu, damit sich die Leute hinsichtlich ihrer Wahrnehmung ein wenig bewusster werden.
Weshalb tun Sie das?
Littmann: Ich tue das, weil sich dies aus meiner ganzen Arbeit heraus so entwickelt hat. Es ist mir zu einem Anliegen geworden, dass Umfelder bewusster wahrgenommen werden. Dies hat sich aus meinen Vorlieben ergeben und aus der Zusammenarbeit mit den Künstlern. Es war kein theoretisches Konstrukt da, welches von Anfang wirkte. Dies hat sich im Laufe der Zeit so entwickelt. Ich wurde immer mit mehr Künstlern konfrontiert, denen genau dieses Anliegen ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit ist.
Kunst ist oftmals elitär und wird von vielen gar nicht erst registriert. Ist es Ihre Absicht, Menschen näher an die Kunst heranzuführen?
Littmann: Meine Projekte sind meistens so angelegt, dass sie eine breitere Öffentlichkeit erreichen. Daran denke ich immer, wenn ich etwas projektiere, sowohl hinsichtlich der Themen als auch hinsichtlich der Form der Umsetzung. Alle sollen eine Zugangsmöglichkeit zu den Projekten haben. Man muss also nicht Kunstgeschichte studiert haben, um die Intention eines Projektes realisieren zu können und ein solches Projekt wahrzunehmen. Dies ist ein Charakteristikum meiner Themen und meiner Auswahl der Künstler.
Häufig geht es dabei um eine Intervention im städtischen Umfeld wie beispielsweise die Farbgestaltung bei der CS-Bank am Bankverein.
Littmann: Es geht um die Irritation der Sehgewohnheiten.
Wie reagieren die Menschen darauf?
Littmann: Sehr unterschiedlich. Das Projekt bei Credit Suisse stiess auf eine extreme Resonanz. Da ist jeder in Basel einmal dazugelaufen. Die Situation, die dort normalerweise anzutreffen ist, wurde durch den Eingriff auf frappante Weise wahrgenommen. Ich weiss, dass die Credit Suisse tonnenweise Post erhalten hat, in der darum gebeten wurde, die Farbinstallation zu belassen. Es gibt jedoch auch andere Projekte, wie jenes, mit dem wir in einer Galerie einen Supermarkt einrichteten. Hier waren die Reaktionen sehr unterschiedlich, durchaus auch begeistert. Andere jedoch meinten, man wolle sie beleidigen und fühlten sich verarscht.
Ihr nächstes Projekt ist wieder einmal eine Ausstellung und heisst ‹Tatort Stadion›, ein engagiertes Projekt, das im Gundeldingerfeld gezeigt wird. Um was geht es?
Littmann: Dort geht es um Gewalt, Rassismus und Diskriminierung im Fussball. Es geht hierbei um ein Phänomen, das aus der Alltagskultur herauswächst. Solche beschäftigen mich am meisten.
Ihre Arbeit ist eng mit Firmen und Sponsoren verquickt. Spüren Sie die derzeitige Konjunkturflaute?
Littmann: Nein, das kann ich so nicht sagen. Für das nächste Projekt habe ich glücklicherweise den Hauptsponsor gefunden. Ich glaube, die Auswirkungen der Konjunkturflaute sind bei uns nur in dem Sinn spürbar, dass die Sponsoren vielleicht nicht mehr einfach alles unterstützen, sondern genauer hinsehen und die Qualität eines Projektes überprüfen. Die Gespräche zwischen mir und den Sponsoren sind vielleicht differenzierter. Sie achten vermehrt darauf, was sie mit einem bestimmten Projekt verbindet. Wir müssen uns möglicherweise schon etwas mehr anstrengen wie zu anderen Zeiten, damit wir den Sponsoren den Nutzen, den sie aus der Unterstützung eines Projektes ziehen können, klarer erkennbar machen. Dass dieser Sinn machen muss, steht heute stärker im Zentrum als auch schon.
Haben Sie mit Ihren Projekten gegenüber Sponsoren auch schon Kompromisse gemacht?
Littmann: Für mich ist wichtig zu wissen, dass Sponsoring ein Gegengeschäft ist. Da wird etwas gemeinsam ausgehandelt. Und so lange die Idee des Künstlers und das Projekt nicht in irgendeiner Form eingeschränkt werden, ist für mich vieles möglich. Meine Aufgabe ist es, den Künstler zu schützen. Zur gleichen Zeit muss ich für das Projekt einen Sponsor finden. Es muss also für beide Seiten stimmen. Ich überlege mir dabei immer sehr genau, zu welchen Sponsoren ich gehe. Denn es ist sinnlos, zu jemandem zu gehen, der aus einer völlig anderen Ecke kommt und bei dem man sich fragen muss, was er mit einem solchen Projekt überhaupt zu tun hat. Dass ich mit dem Engelszimmer auf dem Münster zur Swiss gegangen bin, hat für mich Sinn gemacht. Denn es handelt sich ja in der Tat um ein Projekt zwischen Himmel und Erde.
Gibt es auch eine Zusammenarbeit mit Geldgebern, die länger andauert?
Littmann: Ja, das ist sehr wichtig. Denn, ich kann nicht immer den Sponsor wechseln oder verzweifelt nach einem neuen suchen. Die Zusammenarbeit kann eine gewisse Kontinuität aufweisen. Kompromisse kann ich jedoch dann nicht eingehen, wenn sie ein Projekt künstlerisch deformieren würden.
Es ist kein Geheimnis, dass Sie geschäftlich zumindest einmal Schiffbruch erlitten hatten und den Konkurs anmelden mussten. Wie gehen Sie heute damit um?
Littmann: Heutzutage ein bisschen leichter wie damals. Damals war es für mich eine Katastrophe. Ich hatte den Konkurs auch viel zu lange hinausgezögert und gedacht, ich könne das Schiff noch herumsteuern, bis dann die guten Freunde sagten, dass es keinen Sinn mehr macht. Sie empfahlen mir, einen Schlussstrich zu ziehen, und wenn ich dies nicht könne, so würden sie mir auch nicht weiter helfen können. Doch diesen Tag, als ich aufs Konkursamt musste, möchte ich nicht ein zweites Mal erleben. Das war für mich ein absoluter Horror.
Hatte dieser Gang Freunde gekostet?
Littmann: Nein. Freunde hatte es nicht gekostet. Zwischendurch gab es jedoch einige Klimaveränderungen, wenn ich das so ausdrücken darf. Wenn ich jetzt heute sehe, wer mit mir zusammen immer noch da ist, so muss ich sagen, dass der Konkurs hinsichtlich der Freundschaften keine negativen Folgen hatte. Der Konkurs ist jedoch etwas, das nach wie vor noch gelegentlich belastet.
Heute konzentrieren Sie sich nur noch auf Projekte und haben keinen Kunsthandelsbetrieb mehr mit sechs, sieben Leuten, die für Sie arbeiten.
Littmann: Ja, und ich habe keinen Betrieb mehr, für den ich im Monat 12 000 Franken Miete bezahlen muss. Ich hatte zwei Galerien plus den Gallery Shop, entstanden in den Boomjahren. Dazu die Kulturprojekte, die über den reinen Kunsthandel hinausgehen. Irgendwann war das zu Ende. Heute, wo ich mich nur noch auf die Projekte konzentriere, ist alles überschaubarer. Jetzt fühle ich mich eigentlich sehr wohl.
Was bedeutet Ihnen der Erhalt des Basler Kulturpreises?
Littmann: Ich hatte, eben gerade aufgrund meiner Biografie, nie im Leben damit gerechnet, dass ich den Basler Kulturpreis erhalten würde. So etwas war nie in meinem Kopf. Ich war also extrem überrascht, als ich die Nachricht erhalten habe. Meine erste Reaktion war, dass ich der Dame am anderen Ende des Telefons sagte: «Wissen Sie eigentlich, was Sie da machen?» Ich muss nun aber zugeben, dass ich mich sehr darüber freue. Ich nehme diesen Preis als Ausdruck von Anerkennung für das, was ich tue, gerne entgegen.
Aargauer Zeitung / MLZ 18.11.2002, Christian Fink