Das Projekt

“Lumen“ oder “Son et Lumière“ in der Messehalle

Gigantische Licht- und Tonspektakel werden gerne an geschichtsträchtigen Plätzen der Menschheit aufgeführt. Am heiligen See von Karnak beschwören Stimmen aus dem Lautsprecher die ägyptischen Totengötter herauf, am Fusse der Sphinx hört man sogar Napoleon heranreiten, der mit seinen Soldaten die Pyramiden besucht. Sokrates stirbt nach dem letzten Schluck aus dem Giftbecher Abend für Abend im roten Kunstlicht auf der Athener Akropolis und im Colosseum von Rom werden die ersten Christen – unterstützt von Licht und Ton – nochmals zu Tode gehetzt.

“Son et Lumière“ nennt sich das Spektakel, das angeblich die Sinne ansprechen soll und den wissensdurstigen Massentouristen die antiken Städten in einer knappen Stunde näher bringen will. Die Monumente sollen dadurch lebendiger und begreifbarer werden. Doch eine Flut farbiger Lichter, eine um Pathos bemühte Stimme aus dem Off und schwülstige Musik sorgen meist bloss für einen dürftigen Unterhaltungseffekt.

Die Idee, mit Licht und Ton zu arbeiten, hat Klaus Littmann in seiner Rauminstallation “Lumen“ in der neuen Halle 1 der Messe Basel aufgegriffen. Er verzichtet jedoch auf einen Kommentar und arbeitet ausschliesslich mit Licht und Ton. Diese Reduktion der szenischen Mittel wird der Halle, die die funktionalen Eigenheiten in den Vordergrund stellt, am besten gerecht.

“Lumen“ ist die Einheit des Lichtstromes. “Lumen 2318400“ ist der errechnete Wert, den die 1680 Glühbirnen erzielen, die im Obergeschoss der Messehalle installiert werden. Klaus Littmann macht sich hier die Funktion der Halle als Ausstellungsraum zu Nutze. Alle fünf Meter findet sich nämlich eine in den Boden versenkte technische Servicestation mit Anschluss für Wasser und Strom. Eine Stromquelle speist jeweils Glühbirnen, die als Ganzes einen Lichterteppich bilden. Über elf Stromkreise wird dieser Lichtbogen in Intervallen oder als Ganzes erleuchtet.

Für “Lumen“ hat Klaus Littmann eng mit Tomek Kolczynski und Balz Streiff zusammengearbeitet. Die beiden legen auf den Lichtteppich einen Klangteppich, der manchmal überlappt, aber sich auch bewusst unterscheidet. Licht und Ton bilden hier nicht immer eine Symbiose, sondern sie grenzen sich auch voneinander aber. So ist das Licht nie bloss eine Untermalung des Tones und der Ton kein Zusatz zum Licht. Beide führen ihr Eigenleben und treffen scheinbar zufällig und doch bestimmt inszeniert immer wieder aufeinander.

Wenn Klaus Littmann das „nackte“ Licht der Glühbirnen für seine Installation verwendet, greifen Tomek Kolczynski und Balz Streiff auf den archaischen Ton zurück. Ihnen gelingt, woran die gängigen “Son et Lumière“-Spektakel scheitern: Nicht das Spektakel selber, sondern das Monument, der Raum, tritt in den Vordergrund.

“Lumen“ macht die Messehalle von Theo Hotz, die ihr Innenleben selbstbewusst nach aussen kehrt, les- und fassbar. Die technischen Einrichtungen, die Heizungs- und Lüftungsrohre, die Kabelkanäle, sie bleiben sichtbar und werden gleichzeitig Mittel der Inszenierung, sodass sie nicht mehr als einzelne Elemente in Erscheinung treten, sondern als Ganzes wirken.

„Kunst am Bau“ ist mittlerweile zu einem leeren Schlagwort verkommen. Die temporäre Installation “Lumen“ ist hingegen ein eindrückliches Beispiel dafür, wie „Kunst am Bau“ nachhaltig wirken kann. Nicht als Implantat, sondern als selbstständiges und zugleich vermittelndes Element.

Raphael Suter

1 Glühbirne = 1380 Lumen
Total 1680 Stk = 2318400 Lumen
Installationsfläche = 18’000 m2

Publication: DE, 106 Seiten, softcover inkl. CD
Originalsound: Tomek Kolczynski und Balthasar Streiff
Texte: Raphael Suter, Theo Hotz
Video: Martin Schaffner
Fotos: Stefan Holenstein

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